Wieso man in der Schweiz endlich den Mindestabstand per Gesetz einführen sollte

Mindestabstand 1.5 Meter
Hallo Liebe Leute

Diesen Eintrag wollte ich schon lange mal machen ich hatte aber irgendwie nie die Zeit um alles genau zu Recherchieren. Wir sind ja hier keine ClickBait Seite. Es geht, wie im Titel angekündigt, um den Mindestabstand beim überholen von Radfahrern. Hier in der Schweiz haben wir Gesetze für jeden Mist aber für so was wichtiges, wie den Mindestabstand, gibt es keinerlei gesetzliche Regelung. Wieso man dies endlich ändern müsste will ich hier mal darlegen.

Wieso braucht es einen Mindestabstand

Die Ergebnisse aus der repräsentativen LINK Befragung von 1031 Auto- oder Velofahrenden im Rahmen der Verkehrssicherheitskampagne «Vorsicht beim Vortritt – du weisst nie was kommt!» sprechen eine klare Sprache. Über zwei Drittel der Velofahrer berichten, dass sie regelmäßig knapp überholt werden!

Wenn Sie mit dem Velo unterwegs sind, sind Sie mit verschiedenen Situationen
konfrontiert. Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?

Meine persönliche Wahrnehmung ist dieselbe. Ich werde viel zu oft zu knapp überholt. Viele Autofahrer sind sich oft gar nicht bewusst wie einfach man zu Fall gebracht werden kann, wenn man nur kurz den Lenker berührt. Das ist aber nur eine der möglichen Gefahren. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC hat sich eingehend mit dem Thema befasst und dazu ein übersichtliches Factsheet erstellt. Aus diesem will euch mal die wichtigsten Punkte zitieren.

Was ist der seitliche Sicherheitsabstand überhaupt

Der Abstand ist definiert als die kleinste Entfernung zwischen zwei Körpern. Bei Fahrrädern ist dies nicht, wie oft angenommen, der Abstand der Fahrlinie z.B zum Fahrbahnrand, sondern der Abstand des dem Fahrbahnrand nächsten Punktes des Gesamtssystems Fahrrad- Radfahrer zum Fahrbahnrand.

Seitliche Abstände
Seitliche Abstände
Radfahren und Einwirkungen

Um die Notwendigkeit seitlicher Sicherheitsabstände verstehen zu können, ist es wichtig, die physikalischen Zusammenhänge beim Zweiradfahren zu begreifen.

Da wäre als erstes mal das «labile dynamische Gleichgewicht». Grundprinzip des Zweiradfahrens ist das Pendeln rund um die angestrebte Fahrlinie. Der Radfahrer befindet sich in einem labilen, dynamischen Gleichgewicht.

Ausserdem gibt es jede Menge Faktoren die das Radfahren erschweren können. Luftbewegungen zum Beispiel. Die umgebenden Luftbewegungen sind stark von der Gestaltung des umgebenden Raumes abhängig und werden deutlich durch sich bewegende andere Verkehrsteilnehmer verändert.

Die Befindlichkeiten und Fähigkeiten des jeweiligen Fahrers haben natürlich auch eine Auswirkung auf die Pendelbewegung. Während ein geübter und zügig fahrender Radfahrer längere Zeit auf einer Fahrbahnbegrenzungsmarkierung fahren kann, braucht ein langsamer, unsicherer Fahrender deutlich mehr Platz auf jeder Seite. Kinder machen auf ihren Rädern sehr viel deutlichere Lenkbewegungen beim geradeaus fahren als geübte Erwachsene. Ausserdem sind die Gleichgewichtsfähigkeiten sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich und verändern sich je nach Alter und Erfahrung.

Ein weiterer Punkt dem man bedenken sollte sind Luftbewegungen und Wind und die daraus entstehenden Druck- und Sogwirkungen. Einerseits betrifft das alles, was mit Wind zu tun hat. Andererseits können aber auch die Druckwellen überholender oder begegnender Fahrzeuge deutliche Wirkungen entfalten. Häufig ist den Fahrern dieser Fahrzeuge dieser Effekt gar nicht bewusst, da sie ihn selbst nicht spüren. Die Druckwellen sind umso heftiger, je geringer der Abstand zwischen dem Überholenden und dem Überholten ist und je schneller (relativ zur Luft) das überholende Fahrzeug fährt. Dazu unten zwei interessante Bilder.

Druck und Sogwirkung bei vorbeifahrendem Auto
Druck und Sogwirkung bei vorbeifahrendem Auto
Druck und Sogwirkung bei vorbeifahrendem Bus
Druck und Sogwirkung bei vorbeifahrendem Bus

Diese Druckschwankungen müssen durch den Radfahrer ausgeglichen werden, führen aber in jedem Fall zu einem Versatz in der Fahrspur, der je nach Fähigkeiten des Fahrers größer oder kleiner ausfällt – zuerst vom überholenden Fahrzeug weg und dann zum überholenden Fahrzeug hin. Bei langen Lastzügen kann man erkennen, dass es fast auf der gesamten Länge einen leichten Sog gibt, der den Radfahrer zum LKW hin zu ziehen versucht.

Wenn man dies alles genau anschaut und dazu noch Studien, wie die zum Near Miss Project in Grossbritannien, liest, merkt man schnell, dass hier bei uns in der Schweiz dringend Handlungsbedarf besteht. In anderen Ländern ist man da schon viel weiter.

Wie sind die Regeln zum Mindestabstand in anderen Ländern

In vielen anderen Ländern gibt es bereits Gesetze zum Mindestabstand. Zum Beispiel in den USA. Dies in 29 Bundesstaaten. Der Abstand beträgt 3-4 Fuss was 0.9 bis 1.2 Metern entspricht. In Kanada beträgt der gesetzlich geregelte Abstand 1 Meter. In Deutschland, 1.5 Meter, 2 Meter bei Lastwagen, ab 90 km/h, schlechten Strassenverhältnissen, Wind und Kindern. Portugal, 1.5 Meter. Grossbritannien, Spurwechsel, wie beim Überholen eines Autos (HighwayCode 163). Spanien, 1.5 Meter. Frankreich, 1 Meter innerorts, 1.5 Meter ausserorts. Polen, 1 Meter. Irland, 1.5 Meter seit 28.02.2018. Belgien, 1 Meter, ab 2021 1,5 Meter. Luxemburg, 1.5 Meter ab 1.5.2018. In Italien wird zurzeit an einem Gesetzesentwurf gearbeitet.

Wie wird in anderen Ländern das Gesetz kontrolliert

Dazu habe ich ein paar Videos gesucht die ich hier einfach mal Kommentarlos poste.
  

Kampagnen aus dem Ausland zum Thema Mindestabstand

Es gibt sehr tolle und witzige Kampagnenvideos im Ausland zum Thema Mindestabstand. Sie alle haben im Grunde dieselbe Message. Radfahrer brauchen Platz und deshalb ist ein Mindestabstand beim Überholen wichtig. Hier eine Auswahl solcher Kampagnen Videos oder Bilder.

Safe Cycling Ireland forderte einen gesetzlichen Mindestabstand  mittels einer Petition und hat seit 28.02.2018 ein Gesetz.

Die Fédération Française du Cyclisme möchte auf den gesetzlichen Mindestabstand mittels gross angelegten Kampagne im Sportbereich aufmerksam machen. Mehr Infos hier.

Distance makes the Difference aus Tasmanien in Australien

Der Spot zum Three Feet for Safety Act in Kalifornien

Kampagne aus England mit dem Namen Drivers keepNSafe at Distance

Nochmal ein Kampagnenvideo aus Grossbritannien

Kampagnenvideo aus Belgien

Tipps, damit Sie besser überholt werden

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich vor einem knappen Überholvorgang zu schützen. Ein zukünftiges Gesetz kann schützen, aber auch ohne Gesetz gilt folgendes: Nehmt euch den Platz, der euch zusteht, damit ihr gesehen und wahrgenommen werdet.

  • Haltet 70 bis 100 cm Abstand vom rechten Straßenrand. Wenn ihr rechts von euch eine Mauer habt ein bisschen mehr. Eigen gute Faustregel ist folgende. Nehmt so viel Abstand vom Straßenende das ihr nach rechts ausweichen könnt. Mit dieser Fahrweise rückt ihr mehr ins Gesichtsfeld der Fahrerin oder des Fahrers und werdet besser und früher gesehen. Zudem habt ihr die Möglichkeit, nach rechts auszuweichen, falls ihr zu nahe überholt werdet.
Mindestabstand
Mindestabstand
  • Haltet diesen seitlichen Abstand auch bei Engstellen ein. So werden nachfolgende Fahrzeuge euch nicht überholen. In Kreiseln und in Linksabbiegespuren haben Velofahrende das Recht, vom Rechtsfahren abzuweichen. Sie dürfen dort in der Mitte der Fahrspur fahren und dadurch ein Überholt werden verhindern. Einfach in der Mitte Durchfahren bei Kreiseln.
  • Hilfsmittel die man am Rad montieren kann sind auch eine gute Möglichkeit Autofahrer zum Abstand zu zwingen. Sieht halt an einem schnittigen Rennrad oder Mountainbike nicht super toll aus. Effektiv ist es allemal wie dieses kurze Video des VCD Bielefeld beweisst

Was soll ich als Autofahrender besonders beachten?

Ich bin selber ein Autofahrer. Viel weniger als sonst, wo ich jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit bin aber manchmal muss ich trotzdem noch ins Auto steigen. Mir selber fallen jetzt die Fahrradfahrer viel mehr auf als sonst. Dies ist aber auch kein Wunder finde ich. Hier ein paar Tipps für die Autofahrer die sich vielleicht auf diesen Eintrag verirren.

  • Speziell Kinder und ungeübte Velofahrende haben oft Mühe, die Spur zu halten und neigen zum Schlenkern.  Man sagt zwar, dass der der schwankt mehr vom Weg hat, dies bedeutet aber auch, dass Kinder und weniger geübte Radfahrer mehr Platz brauchen als jemand der viel und oft fährt.
  • Gegenstände wie Abfälle oder Steine, Schlaglöcher oder schlechter Belag zwingen Velofahrende dazu, Ausweichmanöver zu machen. Wir müssen deshalb beim Überholen genug Platz.
  • Die Geschwindigkeit der Velofahrenden nüssen wir auch richtig einschätzen und wir sollten nicht vor Engpässen wie Inseln überholen. Auch das überholen wenn wir in Kürze abbiegen sollten wir unterlassen.
  • Viele Velofahrenden fürchten sich vor dem Autoverkehr. Mit Ruhe und Gelassenheit schaffen wir Vertrauen. Im Zweifelsfall warten wir besser, bevor wir überholen.
  • Beim Überholen sollten wir nicht in einem niedrigen Gang stark beschleunigen. Der laute Motor schüchtert ein und wird als aggressiv empfunden. Auch das Hupen vor dem überholen schadet mehr als das es nutzt.
  • Wir sollten vielmehr auf den Verkehr achten und uns nicht ablenken lassen von Autoradio, Musik oder Handy. Speziell das Handy sehe ich in einer Schlange mit 10 Autos bei 6.
Auch ein Wort an uns Radfahrer

Mehr oder weniger täglich pendle ich zur Arbeit und sehe auf diesen Fahrten zum Teil haarsträubendes Verhalten von Radfahrern. Das Rotlicht missachten in der Regel 80% von denen die an mir vorbei über die Ampel fahren. Ich weiß, es gibt hunderte Studien und ein paar Städte wo das Rechtsabbiegen bei Rot für Fahrradfahrer erlaubt ist. Auch hier in der Schweiz wird das diskutiert. Solange dies aber nicht erlaubt ist haben auch wir an einem Rotlicht zu halten. Das ist aber nur eine Sache die wir Radfahrer so machen. Fahren auf dem Gehsteig. Fahren über den Fussgängerstreifen. Mit dem Handy hantieren während wir Radfahren. Keine Handzeichen geben beim Abbiegen usw usw.

Viele der Radfahrer die mir begegnen foutieren sich einen Dreck um die Verkehrsregeln. Sie fahren wie sie möchten und wo sie möchten und dies mit einer Selbstverständlichkeit die an Dreistigkeit kaum zu überbieten ist. Wenn man einen anspricht und mal was sagt sind viele es sich gar nicht bewusst was falsch gemacht zu haben. Es ist einfach ok, weil a. es ja jeder tut und b. weil keiner da steht der einen büßt. Das soll jetzt kein Aufruf an die Polizei sein hier massenhaft Bussen zu verteilen. Nein. Eher soll es ein Appell an die Radfahrer sein dem was sie gerne tun mehr Respekt zu zollen.

Man fährt ja gerne Rad, wenn man das macht und etwas das man mag behandelt man mit Respekt. Das Image das wir Radfahrer haben mag vielleicht übertrieben sein aber wo Rauch ist, ist in der Regel auch Feuer. Ausserdem bestätigen meine Erfahrungen dieses Image. Wir können nicht erwarten, dass die Autofahrer uns respektieren, wenn wir so respektlos ihnen gegenüber sind. Jeder der mal auf die Klötze musste weil ein Radfahrer einfach in die Kreuzung fährt weiß wovon ich rede. Miteinander kommen wir weiter und nicht gegeneinander. Die sollte sowohl für uns Radfahrer wie auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer gelten.

Seid so oft es geht freundlich. Ich bedanke mich immer mit einem erhobenen Daumen, wenn einer vor einer Insel hinter mir wartet oder mich mit richtig Abstand überholt. Wenn das Fenster offen ist brüll ich noch ein «Messi» rüber. Es ist eine kurze positive Interaktion die sowohl mir als auch dem Autofahrer gut in Erinnerung bleibt.

So das war es wieder einmal von mir. Bis zum nächsten Mal. Da erzähle ich Euch wieso es wichtig ist zu wissen, dass es bei einer Kette ein Innen und ein Aussenglied gibt. 😀  😳

4 Gedanken zu „Wieso man in der Schweiz endlich den Mindestabstand per Gesetz einführen sollte“

  1. Wurde gestern Abend in Würenlos von einem Automobilist in einem blauen PKW (AG 125 028) von hinten kommend genau bei einer Fussgängerinsel absichtlich abgedrängt. Er hätte mich schon davor überholen können, liess es wohl absichtlich darauf ankommen. Dem hat offensichtlich nicht gepasst, dass ich die hier im Text vorgeschlagenen 70 bis 100cm Abstand (es waren eher 70 als 100) vom Randstein hatte. Danach hat er mich noch zum Bremsen genötigt und mich angepöbelt, beschimpft, ob ich ein Lastwagen sei. Das war jetzt ein besonderer Fall, aber keine Ausnahme.

    Viele Automobilisten wissen offenbar nicht, dass Gemeindestrassen von allen Steuerpflichtigen bezahlt werden und sie keinen Vorzugsanspruch auf die Strasse haben. Im Grunde subventionieren wir Velofahrenden denen die Strasse und haben selbst so gut wie nichts davon. Bei Schnee bekommen wir diesen dann noch in den Weg geschoben.

    Ärgerlich: Wenn man zur Polizei geht und so einen Fall meldet, passiert genau gar nichts. Nichts als Zeitverlust. Soviel zur vielgelobten Freiheit in diesem Land. Manche sollte man anketten.

    Es wird definitiv Zeit, dass bundesweit 150cm Abstand beim Überholen gesetzlich eingeführt werden und Vergehen rigoros geahndet und gebüsst werden.

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